Bürgerforum Landkreis Annaberg e.V. - Ortsgruppe Crottendorf
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Christian Führer

Er hatte keine Angst

Am 2. Juli starb der Leipziger Revolutionspfarrer Christian Führer. Wer ihn auf 1989 reduziert, vergisst seine Leistung danach

Die friedliche Revolution muss auch 2014 weitergehen.
Wie sieht die passende Wirtschaft für unsere Demokratie aus ?"




Christian Führer im Oktober 2004

© Peter Endig/dpa


Seltsam, letzte Woche las ich mehrfach über ihn. Christian Führer ist ein Protagonist des Buches Urbi et Gorbi, in dem der langjährige ZDF-Korrespondent Joachim Jauer Christen als Wegbereiter der osteuropäischen Wende porträtiert. Und am 25. Juni berichtete die Berliner Zeitung: "Für ihren Beitrag zum Fall der Mauer vor 25 Jahren sind Akteure der Leipziger Montagsdemonstrationen mit dem Deutschen Nationalpreis ausgezeichnet worden." Darunter die Leipziger Pfarrer Christian Führer und Christoph Wonneberger und der Bürgerrechtler Uwe Schwabe. Das Foto zeigte Schwabe und Wonneberger, dazu Katharina Köhler, Christian Führers Tochter. Ich dachte: Warum fehlt er? Ist er krank? Am Montag traf die bestürzende Botschaft ein. Die Fernsehnachrichten zeigten, in Pietäts-Schwarz-Weiß, das Bild des kleinen Mannes mit dem Bürstenschnitt. Natürlich trug er die ruhmbedeckte Jeansweste des friedlichen Revolutionärs. Die Nachrufe rühmten ihn gebührlich, aber sie reduzierten ihn auch, auf 1989. Sie balsamierten gewissermaßen prämortal einen Menschen ein, dessen Mission mit dem Fall von SED-Regime und Mauer keineswegs beendet war. Die Friedensgebete gingen weiter. Christian Führer hat sich auch gegen Sozialabbau und Rechtsextremismus engagiert. Er hielt seine Kirche offen - nicht im touristischen Sinne.

Persönlich begegnet bin ich Christian Führer erst 2003, anlässlich der neuen Leipziger Montagsdemonstrationen: gegen den Krieg im Irak. Am 7. April 2003 besuchte ich ihn in seiner Lutherstube über dem Nikolaikirchhof. An der Wand hing Otto Pankoks Holzschnitt Christus zerbricht das Gewehr. Die Bandkassette bewahrt Christian Führers Stimme, seinen hellen sächsischen Sang. Jungenhaft frisch erzählt der Sechzigjährige, dass ihn im Dezember der US-Generalkonsul eingeladen habe, mit ihm den Weihnachtsbaum zu schmücken. Ich habe abgeschrieben, sagt Führer. Ich habe mitgeteilt: Ihr Land bereitet einen Krieg vor, da kann ich nicht mit Ihnen unterm Christbaum sitzen, zu Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden. Stattdessen habe ich Weihnachten eine Mahnwache eingerichtet. Daraus wurde ein Kreuzweg, von der Nikolai- zur Thomaskirche. Das wuchs und wuchs, bis wir bei 45.000 waren.


gelesen in der ZEIT
Andreas Demmler